Vergewaltigung und die Volksseele

Gestern ging in Hamburg ein Verfahren zu Ende, welches die Volksseele erhitzt. Ein junges Mädchen soll (ich schreibe soll, da die Verurteilung wohl nicht rechtskräftig ist) von vier jungen Männer missbraucht worden sein und dann in der Kälte in einem Hinterhof liegen gelassen worden sein. Eine 15-jährige soll die Tat mit dem Handy gefilmt haben.

Vor Gericht wurden Geständnisse abgelegt und die Jugendlichen erhielten Jugendstrafen auf Bewährung. Der angeklagte Erwachsene wurde zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zuvor hatten die Angeklagten Unmut auf sich gezogen, indem sie sich zu Beginn des Prozesses – so nennt es die Presse – gefeiert haben. Auch bei der Urteilsverkündung soll es zu unpassenden Szenen gekommen sein.

In den sozialen Medien gibt es Kommentare, die an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten sind. Man einer wünscht dem Vorsitzenden, dass dessen Tochter einmal Opfer einer Vergewaltigung werden solle. Widerlich. Von Täterschutz war die Rede und davon, dass eine Bewährungsstrafe quasi ein Freispruch sei.

Vergewaltigung milder bestraft als Rotlichtverstoß!

Meinen Lieblingskommentar fand ich bei Facebook.

Dort hieß es: “Bei Rot über die Ampel fahren wird härter bestraft als Vergewaltigung.” Ich wollte gerne etwas dazu schreiben, über die Strafandrohung bei Ordnungswidrigkeiten und so, musste dann über zu einem in Untersuchungshaft befindlichen Rotlichtsünder. (Achtung: Ironie)

Das Urteientel wurde von dem Vorsitzenden verteidigt, der zutreffend feststellte, dass die Kammer sich nicht an der Meinung der Öffentlichkeit zu orientieren habe. Wichtig ist, dass Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht nicht zu vergleichen sind. Der Erziehungsgedanke ist im Jugendstrafrecht vorrangig, dies ist gesetzlich geregelt. Jugendstrafe kommt nur dann in Frage, wenn entweder schädliche Neigungen vorliegen oder wenn wegen der Schuld Strafe erforderlich ist, § 17 JGG.

Da ich an der Verhandlung nicht teilgenommen habe und auch keine Aktenkenntnis habe, kann ich dieses Verfahren nicht verurteilen. Im Vergleich mit ähnlichen Fällen erscheint das Urteil allerdings auf den ersten Blick nicht unsäglich.

 

 

14 Gedanken zu „Vergewaltigung und die Volksseele

  1. Die Entscheidung ist schon seltsam.
    Richtig ist, dass das Gericht sich an der öffentlichen Meinung auszurichten hat. Ich sehe es auch so, dass einige Bemerkungen in der Öffentlichkeit unmöglich sind.
    Ich dachte bisher, dass in der Entscheidung auch berücksichtigt wird, ob die Täter Reue zeigen oder nicht. Davon kann wohl nicht die Rede sein.
    Und seien wir doch ehrlich: eine Haftstrafe von 4 Jahren wird wahrscheinlich nach 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt.
    Ja, im Jugendstrafrecht herrscht der Erziehungsgedanke vor: doch ist mit diesen Entscheidungen dem Genüge getan. Ich meine nein. Man muss berücksichtigen, dass die Vergewaltiger das Opfer zum Schluss im Hinterhof haben liegen lassen.
    Und was ist mit dem Opfer? Wird von der Autorin irgendetwas von dem Opfer geschrieben? Nein.
    Interessant ist auch, dass die Autorin schreibt, das Mädchen “soll” vergewaltigt worden sein. An anderer Stelle schreibt sie zutreffen, dass die Täter ein Geständnisse abgelegt haben. (Darf ich nach Ansicht der Autorin “Täter” oder “Vergewaltiger” schreiben, denn die Entscheidungen sind ja nicht rechtskräftig…?). Wenn die Täter ein Geständnis abgelegt haben, dann HABEN sie das Mädchen vergewaltigt.

  2. Das sollte ein “Lawyer” eigentlich besser wissen: Selbst ein Geständnis kann nicht dazu dienen, die Unschuldsvermutung auszuräumen, denn es gibt – abstrakt gesprochen – auch immer die Möglichkeit eines falschen Geständnisses. Erst die Rechtskraft macht aus dem mutmaßlichen Täter einen Täter. Und ein Vergewaltiger ist niemand, der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde – aber wir wollen nicht zu kleinlich sein.

    Fakt ist: Wer bei einem Prozess nicht dabei war, sollte sehr vorsichtig sein mit dem, was er glaubt über den Prozess zu wissen. Und sich anzumaßen, darüber zu entscheiden, ob jemand echte Reue gezeigt hat, ist verwegen, wenn man nicht einmal selbst dabei war!

    Dass Jugendliche in diesem Alter (14-16) zu einer emotional (vielleicht auf den ersten Blick unangemessenen) Reaktion neigen, wenn sie nach 7 Monaten Untersuchungshaft ihre Familie, Geschwister, Freunde wiedersehen, ist irgendwie menschlich.

  3. Und werden wieder die Täter gesehen und nicht das Opfer.

    Im übrigen haben die Angehörigen und Freunde der Täter nach der Urteilsverkündung gejubelt. Warum wohl?

  4. @Lawyer: Dass die Vollstreckung einer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen eines Sexualdelikts bereits nach der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt wird, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn Sie das schon mal durchgesetzt haben, wäre ich für Tipps äußerst dankbar.

      1. Schildern Sie doch einfach mal ein paar Fälle aus Ihrem reichen Erfahrungsschatz, in denen Sie bei vergleichbarem Delikt und vergleichbarem Strafmaß Halbstrafe durchgesetzt haben. Dabei nicht vergessen: Kein Selbststeller + bestreitende Einlassung im Prozess.

  5. Handelt es sich bei den Tätern um islamische Menschen, vermutlich UMF?
    Aus dem Jubeln nach der Urteilsverkündung könnte man es schließen.

  6. Die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt. Auch wenn einige Strafrechtler die Entscheidung des Landgerichts nicht unsäglich fanden, so ist es gut, dass die die StA diese Entscheidungen des Landgerichts überprüfen lässt.

    1. Man wird davon ausgehen können, dass – spätestens jetzt – die Verteidiger auch Revision eingelegt haben. Dass nach Zustellung des Urteilsgründe alle die eingelegte Revision zurücknehmen, ist nicht eben unüblich.

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